Sybil Volks: Wintergäste

Ein Fehlalarm und die Folgen

„All das Kommen und Gehen in unserer Familie begann mit einem angekündigten Tod und einem unangekündigten Sturm“.

So vielversprechend beginnt der Roman Wintergäste aus der von mir wegen ihres hohen Lesekomforts sehr geschätzten Reihe dtv premium.

Im seit über 200 Jahren in Familienbesitz befindlichen Reetdachhaus auf einer Nordseeinsel, das über Generationen mit Liebe gepflegt und mit Geschichten gefüllt wurde, liegt die vermeintlich tote Inge Boysen. Von der Schwiegertochter eilig benachrichtigt, treffen nach und nach drei ihrer vier Kinder mit Anhang ein – das Haus füllt sich zu Inges Entzücken „wie eine Wundertüte“ – nur um erleichtert zu erfahren, dass es sich um einen Fehlalarm handelt. Eigentlich wollen alle recht schnell wieder abreisen, doch unvorhergesehene Ereignisse und schließlich ein großer Eissturm, der die Insel völlig von der Außenwelt abriegelt, führen dazu, dass man bis ins neue Jahr zusammenbleiben muss – unter erschwerten Bedingungen, denn schließlich fällt sogar der Strom aus.

Das Szenario scheint perfekt für einen unterhaltsamen, spannenden, aber auch tiefgründigen Roman, denn zusammen mit den Kindern und Enkel sind auch deren Probleme, Verletzungen und Zukunftsängste mit eingezogen. Leider hat die Autorin aber so enorm viele Themen angepackt, dass dafür auch starke 400 Seiten viel zu wenig sind. Alle Figuren stehen an Wendepunkten ihres Lebens, trotzdem hat mich keines ihrer Schicksale bewegt oder berührt, ich konnte nie wirklich mitleiden, wodurch es mich aber auch wenig gestört hat, dass am Ende vieles offen bleibt.

Woran das liegen mag? Unter anderem sicher am Schreibstil, denn es wird in rascher Folge, also alle ein bis zwei Seiten, von einer Person zur anderen gewechselt. Das wäre bei einem weniger umfangreichen Roman vielleicht unterhaltsam, aber bei einer Geschichte mit dieser Stärke hat es mich zunehmend genervt. Auch das ständige Zitieren von Zeilen aus englischen Popsongs, das wohldosiert sicher ansprechend gewesen wäre, wurde mir immer lästiger.

Und so bleibt am Ende bei mir ein Gefühl des Überdrusses: viel zu viele Themen, zu viele abgehackte Erzählstücke, zu viele zitierte Popsongs. Schade drum, denn die Autorin kann meiner Ansicht nach schreiben und ihre Schilderungen der Natur und des Insellebens sind wirklich gelungen.

Sybil Volks: Wintergäste. dtv 2015
www.dtv.de

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